Vielzahl an Weinstilen
Bei der traditionellen georgischen Methode werden die gepressten Trauben samt Stielen, Kernen und Beerenhäuten in die Qvevris gefüllt. Dort gärt und reift der Wein dann komplett „auf der Schale“. Das verleiht den Rotweinen eine besonders dunkle Farbe. Weißweine erhalten mehr Tiefe und eine expressive Aromatik. Durch den langen Schalenkontakt haben sie eine ausgeprägte Gerbstoffstruktur und eine orange-goldene Farbe, was ihnen in Georgien den Namen Amber Wine [Bernstein] einbrachte, gleichbedeutend mit dem hierzulande bekannteren Begriff Orange Wine.
In der internationalen Weinwelt besitzt der Qvevri-Wein heute Kultstatus – und seine Ausbaumethode ist weltweit zur Inspirationsquelle für junge Naturwein-Winzer*innen geworden.
Auch die aktuelle georgische Weinszene ist im Aufbruch. Nach der Sowjetzeit, in der auf Massenproduktion gesetzt wurde, haben gut ausgebildete junge Weinmacher*innen die alte Technik wiederentdeckt und individuell weiterentwickelt. Viele verfügen über Auslandserfahrungen und wenden auch moderne, europäische Ausbauverfahren in Holzfässern und Edelstahltanks an. Von der Vielzahl an Weinstilen konnte wir uns auf einer Georgien-Reise auf Einladung der Nationalen Weinagentur Georgiens selbst überzeugen.
Drei Klimazonen – Über 500 autochthone Rebsorten
Das heutige Georgien ist von der Fläche her nur so groß wie Bayern, dennoch gibt es drei verschiedene Klimazonen: subtropisch-feucht, subkontinental-trocken und alpin. Der Weinbau erstreckt sich nahezu über das gesamte Land. Die vier wichtigsten Anbaugebiete sind Ratscha-Leschchumi im Nordwesten, Imeretien im westlichen Zentral-Georgien, Kartlien, rund um die Hauptstadt Tiflis, sowie Kachetien im Osten.
Letztere ist die größte und bekannteste Weinregion des Landes. 77 Prozent der georgischen Weine werden in Kachetien produziert. Die Rebflächen liegen vor der imposanten Kulisse des Großen Kaukasus. Die drei- bis viertausend Meter hohe Gebirgskette schützt die Reben vor kalten Nordwinden und sorgt für ein mildes, ausgeglichenes Klima.
Die zimtfarbenen Böden rund um den Fluss Alazani bestehen aus sandigem, kalkhaltigem Lehm und sind reich an Eisen. Das trockene Klima lässt organisches Material im Oberboden schnell verwittern. Deshalb müssen die Reben tief wurzeln, was der Qualität der Weine zugutekommt.
Der Rebsortenschatz ist riesig: Von den 525 autochthone Rebsorten werden aktuell 45 in größerem Stil angebaut. Doch es sollen noch mehr werden: Weingüter, die sich historischen Rebsorten zuwenden, werden besonders gefördert. Außerhalb Georgiens klingen viele der Namen exotisch. Die Bekanntesten sind die weißen Rkatsiteli [sprich: Kazitelli] und Kakhuri Mtsvane [sprich: Kachuri Mizwane] sowie die rote Saperavi. Aber auch die weiße Kisi-Rebe ist wieder auf dem Vormarsch. Ihre Beliebtheit verdankt sie ihrer Fülle an Aromen – der vergleichsweise leichte Name tut sein Übriges.
Film: UNESCO | Alle Fotos und Karte (c) Weine aus Georgien
Außer Foto Brotofen und Fotos Marani mit Qvevris rechts und unten: vinocentral
Alles Wein
Wein ist in Georgien nicht nur ein Getränk, sondern Teil der georgischen Identität. Er prägt Landschaft und Wirtschaft, aber auch Religion und Kultur. Das Hauptsymbol der georgischen Orthodoxie ist das Weinrebenkreuz, das die Heilige Nino der Legende nach mit ins Land gebracht haben soll. Bei der traditionellen Festtafel, der Supra, spielt Wein ebenfalls eine tragende Rolle. Und das nicht allein, weil er gut zu den Speisen der georgischen Küche passt, die serviert werden, bis sich die Tische biegen. Jedes Weinglas, das der Tamada [Tischführer] erhebt, wird von einem Trinkspruch begleitet. Je poetischer, desto besser. Der Ablauf folgt einem festen Rhythmus. Nicht selten treiben die Trinksprüche den Zuhörenden Tränen der Rührung in die Augen. Es wird auf Eltern, Kinder, Verstorbene und auf Georgien angestoßen.
Die Supra wird noch immer praktiziert. Zum Anstoßen reicht aber schon ein einziges Wort: Gaumardshos – Prost!
Georgien – Wiege des Weins
8.000 Jahre alte Tradition trifft Moderne
Georgien gilt schon lange als Wiege des Weins. Doch während man vor wenigen Jahren noch davon ausging, dass die Weinbereitung dort eine 7.000-jährige Tradition habe, weiß man heute gesichert, dass es sogar rund 8.000 Jahre her ist, seit die ersten Trauben in großen Tongefäßen zu Wein vergoren wurden. Grund für diese Korrektur ist der archäologische Fund von Traubenkernen und Tonscherben, die deutliche Spuren von Weinsäure enthielten. Bis heute wird in Georgien der Weinausbau in eiförmigen Amphoren [georgisch: Qvevri] praktiziert. 2013 wurde die Technik von der UNESCO zum „Immateriellen Kulturerbe“ erklärt.