Espera, Lisboa
Foto©EsperaLisboa
An die Ursprünge der Weinkultur anknüpfen
Alles begann mit der Übernahme aufgegebener Kleinstparzellen in der Gemeinde Alcobaça, wo das älteste Kloster des Landes von den Zisterzienser-Mönchen zeugt, die den Weinbau in Portugal einst maßgeblich geprägt hatten. An dieses historische Erbe wollte Rodrigo anknüpfen. Hier sollten Weine entstehen, wie sie einmal geschmeckt haben müssen, bevor die Technisierung und die Gesetze des Marktes in der Weinkultur die Regie übernahmen. Weine aus alten, autochthonen Rebsorten, die möglichst ohne moderne Agrarchemie und vor allem ohne den önologischen Zauberkasten im Keller aus weitestgehend eigener Kraft zu sich selbst finden. Rodrigo hatte erkannt, dass gute, authentische Tropfen, wie sie ihm vorschwebten, einfach Zeit brauchen. Ein Faktor, der auch in der Weinwelt heute längst der Kosten-Nutzen-Rechnung geopfert wurde. Der Markt kennt keine Geduld. So kam Rodrigo Martins gemeinsam mit seiner Frau, die sich heute um Marketing und Vertrieb des Projekts kümmert, auf den Namen „Espera“ – auf Deutsch: „das Warten“.
Naturbelassen – aber fehlerfrei
Die Umstellung der Weinberge auf biologische Landwirtschaft ließ sich im feuchten atlantischen Klima nicht übers Knie brechen. Seit dem Jahrgang 2017 gelingt aber der komplette Verzicht auf chemisch-synthetische Spritzmittel – wenn auch bislang noch ohne Zertifizierung. Das nächste Etappenziel ist nun die Umsetzung der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise auf den mittlerweile fünf Hektar in Alcobaça und Óbidos. Die moderne Önologie hingegen wurde von Anfang an aus dem Keller verbannt. Auch auf Schwefel versucht Rodrigo hier – wenn möglich – zu verzichten. Dogmatisch ist er dabei aber nur in einer Hinsicht: Die Weine sollen zwar authentisch sein und ihre natürlichen Ecken und Kanten bewahren – Weinfehler, wie sie der radikalste Flügel der Naturweinszene als naturgegeben goutiert, lehnt er hingegen strikt ab. Diese zu vermeiden, erfordert viel Know-how und penible Arbeit in Weinberg und Keller. Und manchmal eben ein Quäntchen Schwefel. Ursprünglichkeit und Unverfälschtheit auf der einen Seite – veritable Handwerkskunst, eine durchdachte Idee von Wein und geschmackliche Harmonie auf der anderen. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Weine von Espera mit unprätentiöser Selbstverständlichkeit – und machen das junge Weingut zu einem der Leuchttürme in der alternativen Weinszene Portugals.
Von der Theorie zur Leidenschaft
Die erst 2008 nach der portugiesischen Hauptstadt benannte Weinbauregion Lisboa erstreckt sich über etwa 130 km von Lissabon in nördlicher Richtung bis nach Leiria. Mit ihren rund 30.000 Hektar Rebfläche liegt sie im westlichen Zentrum des Landes, in unmittelbarer Nähe zum Atlantik, der hier maßgeblich das Klima beeinflusst. Rund um das Städtchen Óbidos befindet sich eine der neun DOC-Zonen mit Ursprungsgarantie (Denominação de Origem Controlada) der Region. Dort wuchs Rodrigo Martins auf. Der hatte mit dem Wein zunächst nicht viel am Hut, wollte eigentlich Trompeter werden, studierte dann aber Agrartechnik. Erst hier sollte er sein leidenschaftliches Interesse am Wein entdecken, das ihn schließlich dazu bewog, einen Masterstudiengang in Weinbau und Önologie draufzusetzen. Ab 2008 war das junge Talent als Weinbauberater in verschiedenen Regionen Portugals tätig. 2012 erfolgte die Berufung in die Jury der International Wine Challenge in London, der er bis heute angehört. 2014 nahm das Projekt „Espera“ Gestalt an, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau Ana Leal aus der Taufe hob.