Weingut Heid, Württemberg
Foto©WeingutHeid
Revolution mit angezogener Handbremse
Direkt nach seiner Ausbildung beginnt er den elterlichen Betrieb umzukrempeln. Der Vater überträgt ihm schnell Verantwortung und lässt ihn im Allgemeinen gewähren, auch wenn er manches nicht unbedingt versteht. Beispielsweise als Markus 1990 ein Barrique anschaffen will – unter Deutschlands Winzer-Avantgarde gerade der neuste Schrei, für den Vater ein Rätsel. Hatte er doch eben erst die ganzen alten Holzfässer durch moderne Stahltanks ersetzt. Aber er bezahlt ihm das Ding trotzdem und lässt sich sogar darauf ein, peu à peu den altbackenen Trollinger zu roden. Im Alter von 28 Jahren übernimmt Markus 1996 schließlich das Weingut. Er experimentiert viel mit anderen Rebsorten und pflegt hier bis heute eine enorme Vielfalt – neben regionalen Zugpferden wie Riesling und Lemberger zum Beispiel auch Sauvignon Blanc oder Syrah. Einziger Hemmschuh in diesen Sturm- und Drangjahren: die wenig innovationsfreudige Stammkundschaft. Doch bringt ihm diese überhaupt erst das nötige Kleingeld für eine gesunde Weiterentwicklung – wenn auch eine mit leicht angezogener Handbremse – und sie entwickelt sich dann doch allmählich mit. Nichtsdestotrotz: den Trollinger hat Markus Heid nie gänzlich verbannt. Vielleicht ein bisschen aus Nostalgie und Heimatliebe. Vor allem jedoch, weil er als so einfacher wie vielseitiger Alltagswein aus seiner Sicht durchaus eine Daseinsberechtigung hat. Auch heute noch.
Haltung, die man schmecken kann
In Weinberg und Keller setzt Markus Heid seit jeher lieber auf Handwerk statt auf Technik und lässt den Dingen möglichst ihren natürlichen Lauf – frei von irgendwelchen Dogmen. War er in jungen Jahren noch auf der Suche nach Patentrezepten, versteht er es heute, mit jedem Jahrgang und dessen Besonderheiten zu spielen. Dafür begleitet und beobachtet er seine Reben akribisch übers ganze Jahr. Konsequenterweise geht das nur als One-Man-Show in einem überschaubaren Betrieb, weshalb er keinesfalls weit über seine 10 Hektar hinauswachsen will – auch wenn das vermutlich profitabler wäre. Biowinzer ist er aus tiefster Überzeugung, doch schreibt er sich das gar nicht groß auf die Fahne. Zu viele tun das aus seiner Sicht vor allem fürs Marketing. Und dass billige Massenweine mit Bio-Siegel heutzutage um den halben Globus gekarrt werden, ist ihm zuwider. Markus Heid ist ein Winzer mit einer klaren und wohlüberlegten Haltung, ein Wengerter mit höchsten Ansprüchen und solider Bodenhaftung. Und das schmeckt man nicht zuletzt auch in seinen Weinen.
Tipp: Mi 15.01.2025 Wine-Dining mit VDP-Weingut Heid in Gottfried Pachers Zu Tisch
Auf Einladung des vinocentrals präsentiert das VDP-Weingut Heid aus Württemberg am Mittwoch, dem 15. Januar, seine Weine zu einem winterlichen Vier-Gänge-Menü von Gottfried Pacher. Informationen und Buchung hier: www.vinocentral.de/termine/
Morgendämmerung im Trollinger-Ländle
„Wengerter“ sind die Heids schon seit 1699, dem Jahr, in dem Urahn Jakob Melchisedec Heid sich nordwestlich von Stuttgart in Fellbach niederließ. Bis heute hat das Gut hier, zwischen Neckar- und Remstal, seinen Sitz. War es bis in die 1970er-Jahre noch ein typischer bäuerlicher Mischbetrieb, wird mittlerweile ausschließlich Wein produziert – nach den Prinzipien der biologischen Landwirtschaft und seit einigen Jahren als Mitglied im renommierten VDP. All das ist vor allem dem Pioniergeist und dem kompromisslosen Qualitätsstreben von Markus Heid zuzuschreiben. Als er in den 1980er-Jahren beschließt, in die Fußstapfen des Vaters zu treten, ist die Weinwelt – gerade in Württemberg – noch eine komplett andere. Hier regiert unangefochten der Trollinger, dieser leichte, leider oft seichte Rotwein, der für waschechte Schwaben damals zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Auch bei Heids sind bis zum Ende der 80er rund 70 % der Rebfläche mit dem ertragsreichen Gassenhauer bestockt. Doch zeichnet sich schon damals ab, dass die seligen Tage der Trollinger-Ära gezählt sind. Markus hat als junger Winzer ohnehin anderes im Sinn. Er will moderne Weine machen.