Weingut Heiligenblut, Rheinhessen
Foto©WeingutHeiligenblut
Neuinterpretation der Urklassiger Rheinhessens
Die Brüder Christian und Martin Hannemann führen das Weingut Heiligenblut in Alzey-Weinheim seit 2018 in der nunmehr vierten Generation. Damit einher geht auch eine stilistische Veränderung der Weine. Im Studium und durch diverse Aufenthalte im Ausland blicken beide über den Tellerrand hinaus und verfolgen heute weitestgehend die Idee von Low-Intervention-Weinen oder Naturweinen. Was allerdings genau ein Naturwein ist und welche Kriterien hierfür erfüllt sein müssen, darüber lässt sich mit Christian sehr lange und ausgiebig diskutieren. Wein als Kulturprodukt wächst eben nicht einfach an Bäumen, sondern erfordert immer den Eingriff und die Steuerung des Menschen. Christian vergleicht die Weine gerne mit Jazz. Wie dabei klassische Musikinstrumente neu gedacht werden, ist es auch sein Ziel, die Tradition zu bewahren, aber eben neu zu interpretieren. Dies zeigt sich besonders im Rebsortenspiegel des mittlerweile 15 Hektar großen Betriebs: Hauptsächlich findet man hier Riesling, Silvaner und Scheurebe – alles Urklassiker Rheinhessens.
Mehr als 1.500 Jahre Wein-Geschichte
Schenkt man der Legende Glauben, beginnt die Geschichte des Weinguts Heiligenblut im Alzeyer Hinterland mit der Ermordung der Christen durch Hunnenkönig Attila im Jahr 454 n. Chr. auf dem Heiligen Blutberg. Um an dieses grausame Ereignis zu erinnern, lies der Heilige Bonifatius etwa 300 Jahre später dort eine Kapelle errichten und pflanzte die ersten Reben. Wie viel Wahrheit diese Sage in sich birgt, bleibt wohl verborgen, aber die Lagen Heiliger Blutberg und Kapellenberg finden sich noch heute auf den Etiketten. Der Mythos wird also weiter getragen und ein Quäntchen Wahrheit steckt wohl in ihm. Mit Sicherheit aber lässt sich die Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Friedensrichter und späterer Tribunalrichter Joseph A. Emele rekultivierte diesen Ort für eine beträchtliche Summe, errichtete Bruchsteinmauern und Terrassen für die Weinberge und ließ die Erde wieder aufschütten. Im Zentrum wurde das Betriebsgebäude samt Keller gebaut, wie es auch noch heute den Flaschen zu sehen ist. Für geraume Zeit nutzte es ein wohlhabender Unternehmer aus Hamburg als Sommerresidenz, füllte aber auch eigene Weine ab. Erst 1924 gelangt das Weingut durch Leonard Hannemann in den heutigen Familienbesitz. Aufgrund der gemachten Erfahrungen in Frankreich und Österreich führte er die Drahtrahmenerziehung ein und trieb ebenfalls die Mechanisierung voran.
Spitzenweine mit Fokus Terroir
Erklärtes Ziel ist es, das Beste aus den Weinheimer und Heimsheimer Lagen herauszuholen. Das dortige Terroir ist geprägt von Melaphyr, einem dunklen Vulkangestein und Kalk. Beste Bedingungen also, um elegante Spitzenweine zu produzieren. Dabei soll nicht in radikalen Extremen, sondern in Harmonie zwischen Tradition und Moderne gedacht werden. „Weine werden von Menschen gemacht, die es verstanden haben, mit der Natur zu arbeiten“, so Christian Hannemann. Und das kann man auch schmecken. Die Weine von Weingut Heiligenblut besitzen immer Strahlkraft und Tiefe. Wenn Jahrgang und Rebsorte es zulassen, wird auch mal auf eine Schwefelgabe oder Filtration verzichtet. Aber eben nicht auf Teufel komm raus. So gibt es im Sortiment von Heiligenblut sehr klassisch anmutende Weine wie den Riesling Kabinett, aber eben auch etwas „wildere“ Varianten wie den Silvaner H. Dabei steht der Terroirgedanke immer klar im Fokus. So ist es auch nur konsequent, dass Weingut Heiligenblut auch Mitglied bei Maxime Herkunft Rheinhessen ist, einer Vereinigung von Winzerbetrieben, die die dreistufige, herkunftsbezogene Qualitätshierarchie aus Guts-, Orts- und Lagenweinen umsetzt. Aber auch hier gibt es bei Christian und Martin eine kleine Ausnahme: Zwei Weine stehen noch über den Lagenweinen. Diese tragen die mythischen Namen „Attila“ und „Bonifatius“ als Homage an den Mythos des Heiligen Blutbergs.
TIPP: Mittwoch, 15. November 2023
Wine-Dining mit den Winzern Christian & Martin Hannemann von Weingut Heiligenblut in Gottfried Pachers Zu Tisch
Moderiertes Wein-Menü
Gottfried kocht | Christian & Martin erzählen | das vinocentral schenkt ein