Die Winzer*innen, die sich gegenwärtig hinter dem Begriff „Naturwein“ versammeln, lehnen nicht nur die konventionellen Methoden im Weinberg ab, wie das ja auch in der übrigen Bio-Szene der Fall ist, sondern darüber hinaus die zahlreichen önologischen Verfahren im Keller, mit denen Wein heute – üblicherweise und weingesetzlich legitimiert – in seiner Entstehung teils massiv beeinflusst wird. Das tun sie radikal und produzieren so Weine, die sich oft nicht minder radikal vom gewohnten Geschmacksbild und den erlernten Erwartungen der meisten Weinkonsument*innen abgrenzen. Vieles, was in der konventionellen Weinkultur bislang als „Fehler“ eingestuft wurde, goutiert die Naturweinszene als „unverfälschte“ Qualität. Gerade im Weißweinbereich fallen Naturweine oftmals durch Trübung, ungewöhnliche bis gewöhnungsbedürftige Noten im Bukett, einen bisweilen ausgeprägt herben bis adstringierenden Geschmack oder auch mal eine ungezügelte Säure aus dem Rahmen. Damit polarisieren sie natürlich und sorgen bereits aus ihrer noch sehr überschaubaren Marktnische heraus für teils heftige Debatten in der Weinszene. Auf der einen Seite steht hier eine kleine, aber stetig wachsende Gemeinde von überzeugten Aficionadas und Aficionados, die sie teilweise feiern wie die Entdeckung des Heiligen Grals – auf der anderen eine große, konservative Masse, die sie partout als ungenießbar empfindet und als modische, kurzlebige Spinnerei abtun will.
„Modisch“? – Ja. Naturwein ist das Genussmittel-Pendant zur It-Bag für die urbane In-Crowd unserer Zeit. Von „kurzlebig“ kann jedoch keine Rede sein. Die junge, hippe Szene, die da heute die öffentliche Wahrnehmung mit teils knallbunten Etiketten dominiert, steht auf den Schultern von altehrwürdigen, manchmal wenig bekannten Vorkämpfern – darunter auch echte Giganten. Die Wurzeln der Bewegung reichen zurück bis zur Entstehung des modernen, immer stärker technologiegetriebenen Weinbaus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dessen Errungenschaften ging von Anfang an auch kritisches Hinterfragen einher. Doch waren die industriellen Kräfte eben stärker und haben so über die Jahrzehnte unser aller Idee von Wein geprägt. Naturweine erfordern daher zunächst mal die Offenheit, sich geschmacklich auf „Ungewohntes“ und „Neues“ einzulassen, das nebenbei bemerkt ja hier oft das eigentlich Ältere und Ursprünglichere ist. Dann können sie den eigenen Geschmackshorizont in ungeahnter Weise erweitern – gerade auch im kulinarischen Kontext. In der etwas progressiveren Gastronomie gehören sie längst zum guten Ton. Und wer beim ersten Date mit ihnen vielleicht noch fremdelt, dem erschließen sich oft beim Essen ihre nicht von der Hand zu weisenden Qualitäten. Und so entdecken immer mehr Menschen – auch ohne alles Konventionelle gleich in Bausch und Bogen zu verdammen – in vielen Naturweinen eine echte Bereicherung für mehr Vielfalt und Spaß im Glas.
Ein Gespenst geht um ...…
und das längst nicht nur in Weineuropa, sondern rund um den Globus. Wenn man heute in den Metropolen der Welt ganz unbedarft in eine angesagte Weinbar läuft, um sich an einem blitzblanken Gläschen Riesling oder Chardonnay zu ergötzen, kann es einem leicht widerfahren, dass da etwas serviert wird, das auf den ersten Blick so überhaupt gar nichts mit dem altbekannten „Wein“ zu tun zu haben scheint. Eine undurchsichtige, schillernd-trübe Flüssigkeit im Glas, die auch den Geruchssinn womöglich auf die Probe stellt. Da findet sich kein knackig-frisches Tafelobst im Bukett, eher vergorenes oder gedörrtes. Im Hintergrund vielleicht auch Sellerie und Kohl – nebst einer feinen Nagellacknote, zärtlich umspielt von einem Hauch Mäusepuff. Was um Himmelswillen ist hier schiefgelaufen? – Gar nichts. Es handelt sich einfach nur um einen sogenannten „Naturwein“ …
Was ist das und wozu soll es gut sein?
Unter „Naturwein“ versteht man heute im Allgemeinen Weine aus ökologisch erzeugten Trauben, denen im Herstellungsprozess vereinfacht gesagt „nichts hinzugefügt und nichts entnommen“ wurde. Dazu muss man wissen, dass das keineswegs der Normalfall ist. Bereits bei der Lese werden den Trauben oftmals Enzyme oder Schwefel zugesetzt, um unerwünschte Entwicklungen im Keim zu ersticken. Im weiteren Verlauf ist es durchaus üblich, mit Zucker, Säuerungs- oder Entsäuerungsmitteln nachzubessern. Auch bei der Gärung muss heute nichts dem Zufall überlassen werden. Reinzuchthefen und Hefenährsalze sorgen für einen zielstrebigen Gärverlauf. Manche dieser Hefen aus dem Industrielabor leisten sogar noch viel mehr: Unter illustren Produktnamen wie „Belle Arome“ verleihen sie dem Wein ausgeprägtere und oft auch völlig wesensfremde Fruchtnoten – da kommt oft das besonders delikate Tafelobst im Bukett her. Und wenn Sauvignon Blanc gerade en vogue ist, lässt sich so auch ein Riesling oder ein Grüner Veltliner in diese Richtung biegen.
Nach der Gärung folgen weitere Prozess-Schritte wie die Klärung, die Schönung und die Filtration, wodurch alles Unliebsame – von Trubstoffen bis Fehltönen – aus dem „Naturprodukt“ Wein entfernt wird. Auch da gerne unterstützt von Enzymen und Chemikalien. Last but not least gibt es für den Feinschliff dann noch Stoffe wie Gummi arabicum, das den Wein später etwas geschmeidiger über die Zunge fließen lässt … Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs und eine weitere Ausführung würde hier den Rahmen sprengen. Sehr umfassend hat der Weinjournalist Sebastian Bordthäuser das Thema in einem Artikel für die Zeitschrift Effilée aufgearbeitet.
Da Wein laut EU-Recht kein Lebens-, sondern ein Genussmittel ist, musste bislang – außer dem Schwefel – keiner der Zusatzstoffe auf dem Etikett deklariert werden. Sonst hätten vor allem viele Billigweine, aber auch teils teure „Fine Wines“, wohl einen Beipackzettel benötigt. Das soll sich ab 2023 zwar ein Stück weit ändern, weil dann Nährwert- und Zusatzstoffangaben beim Wein ebenfalls verpflichtend werden. Die vielen, vielen Prozesshilfsstoffe, mit denen der Wein heute manipuliert werden darf, wird man da jedoch vergebens suchen. Ganz außen vor gelassen haben wir ohnehin die agrochemischen Praktiken, die im konventionellen Weinbau aktuell erlaubt sind, um die Weintrauben noch am Stock auf Linie zu trimmen. Und auch von den vielen rabiaten „mechanischen“ Methoden im Keller wie Umkehrosmose oder Thermovinifikation war noch gar nicht die Rede.
Nun sollte man aber das Kind hier nicht gleich mit dem Bade ausschütten: Viele dieser Eingriffsmöglichkeiten – wie der Schwefel in Maßen – sind völlig harmlos und alle zusammen haben wohl kaum so viel gesundheitsschädliches Potenzial wie der Trinkalkohol, sprich, das Ethanol – der Wesenskern des Weins schlechthin. Doch erscheint sicherlich die Frage legitim, ob man nicht auch ohne diesen gesetzlich erlaubten Chemie- und Zusatzstoffbaukasten Wein bereiten kann. Die Antwort? – Ja! Es gab diesen ja früher gar nicht. Im biologischen, vor allem aber im biodynamischen Weinbau ist auch das kellertechnische Arsenal bereits deutlich reduziert. Darüber hinaus verzichten einige qualitätsorientierte Winzer*innen heute freiwillig auf das Gros des Erlaubten, weil Spitzenqualität ohnehin nur durch hochwertigste Trauben erreichbar ist, die auf dem Weg zum Wein kaum weitere Hilfsmittel benötigen. Diese würden solche Weine oftmals nur schwächen.
Am konsequentesten wird dies jedoch bei „Naturweinen“ praktiziert, indem wie gesagt rein gar nichts in den Wein kommt, außer in manchen Fällen etwas Schwefel zur Abfüllung. Doch mit diesem radikalen Ansatz muss man sich eben von ein paar Dingen im Wein verabschieden, die der eine oder die andere vielleicht lieb gewonnen hat (Sag’ Ade zum Früchtekorb!). Man sollte auch offen für ganz neue geschmackliche Qualitäten sein. Und es wäre unlauter, zu verschweigen, dass Naturweine auch schädliche Substanzen enthalten können, wenn die Winzer*innen ihr Handwerk nicht beherrschen.
Keine festen Regeln, nur eine einheitliche Grundidee
Was „Naturwein“ genau sein soll, wurde bislang kaum verbindlich definiert, der Begriff selbst ist laut EU-Weinrecht sogar verboten. Auch wir empfinden ihn als unglücklich. Wein kann niemals ein Naturprodukt sein, wie es der Ausdruck suggeriert, weil es ihn ohne die vielen kultivierenden Eingriffe durch die Winzer*innen nicht gäbe. Das haben wir unter der Rubrik „Progressive Weine“ bereits ausführlicher erläutert. Dass wir den Begriff dennoch benutzen, liegt nur daran, dass er sich bereits eingebürgert hat und es keine wirkliche Alternative gibt. In Frankreich spricht man auch von „vins libres“, im englischsprachigen Raum von „raw“ oder „naked wines“. Das mag etwas charmanter klingen, doch weder der „befreite“, noch der „rohe“ oder „nackte“ Wein bringt es für uns wesentlich besser auf den Punkt. Die Bezeichnung ist die eine Sache, die Produktionsweise eine andere. Hier herrscht nach wie vor weitgehend fröhlicher Wildwuchs – manchmal leider auch am Rande der Seriosität. 2020 haben die französischen Behörden einen weltweit ersten Vorstoß gewagt, um das zu ändern. Unter dem Label „vin méthode nature“ wurde eine Zertifizierung mit einem verpflichtenden Produktions- und Kontrollreglement geschaffen. Der Zulauf der Naturweinwinzer*innen hält sich bislang zwar in Grenzen, die dort festgelegten Produktionsregeln erscheinen jedoch vernünftig, weshalb wir uns bei der Definition von Naturwein daran orientieren. Die folgenden Rahmenbedingungen müssen für unsere Naturweine erfüllt sein und wir fragen sie – anders als viele andere Fachhändler*innen – bei den Winzer*innen konkret ab. Ansonsten führen wir den entsprechenden Wein, auch wenn er geschmacklich vielleicht „Naturweincharakter“ aufweist, unter der Rubrik „Progressive Weine“.
1. Die Trauben müssen zu 100 % aus biologischem Anbau stammen. Was die Zertifizierung angeht, drücken wir auch mal ein Auge zu. Wenn wir von den Winzer*innen wissen, dass sie in ökologischer Hinsicht Überzeugungstäter*innen sind, aber vielleicht zu klein – oder zu unorganisiert –, um sich einer Zertifizierung zu unterziehen, verlassen wir uns im geprüften Einzelfall auf das persönliche Ehrenwort.
2. 100 % Handlese
3. 100 % Spontangärung
4. Keinerlei önologische Zusätze wie Enzyme oder Prozesshilfsstoffe, Zucker, Säuerungs- oder Entsäuerungsmittel, Klärungs-, Schönungs- oder sonstige Mittel etc.
5. Keine schwerwiegenden Eingriffe wie Thermovinifikation, Umkehrosmose, Crossflowfiltration, Kurzzeiterhitzung oder Zentrifugierung
6. Keine Schwefelung vor oder während der Gärung. Lediglich der fertige Wein darf bis zur Grenze von max. 30 mg/l Gesamtschwefel eingestellt werden. Jeder Schwefelzusatz muss dabei angegeben werden.
Eine andere Art von Wein
Bei Rotweinen sind die Unterschiede zwischen konventionellen und „naturbelassenen“ Weinen manchmal gar nicht so deutlich. Naturrotweine – vor allem aus kühleren Regionen – sind zwar häufig weniger dicht und opulent, bisweilen verrät aber nur etwas flüchtige Säure, die an Lösungsmittel erinnert, oder ein leicht animalischer Zug im Bukett, dass hier ohne Manipulationen gearbeitet wurde. In der Nase können sie ausgesprochen fruchtig sein, wenn auch selten so ganz reintönig. Ein bisschen „Funk“ ist hier immer dabei.
Bei Weißweinen sieht die Sache da schon anders aus. So glasklar und aromatisch reintönig, wie wir das heute zumeist gewohnt sind, ist das Naturwein-Pendant einfach nicht zu haben – und auch nicht gewollt. Um die Weine ohne künstliche Eingriffe zu stabilisieren, arbeiten viele Winzer*innen zum Beispiel mit ausgiebigem Maischekontakt oder langem Hefelager. Das hinterlässt geschmackliche Spuren, unter anderem durch Phenole aus den Traubenhäuten, die im Weißwein eher ungewohnt sind, aber sehr reizvoll sein können. Auch Gäraromen wie milchige, vegetabile und oxidative Noten sind in Naturweinen generell präsenter.
Die Primärfrucht, die viele im Wein so charmant finden, spielt dagegen häufig kaum eine Rolle. Der zu Beginn beschriebene Wein mit seinen deutlichen Fehltönen ist natürlich ein bewusst überzeichnetes Klischee, was jedoch nicht heißt, dass es solche „unsauberen“ Naturweine nicht auch gäbe. Grundsätzlich trumpfen sie nur selten im Bukett auf, dafür umso mehr im Mund, wo der Wein ja eigentlich seinen Sinn und Zweck erfüllt. Da zeigt sich bei wirklich gut gemachten Naturweinen, warum der ganze Verzicht eben nicht nur aus weltanschaulichen und ethischen Gründen sinnvoll sein kann, sondern oft viel lebendigere, vielschichtigere und ausdrucksvollere Weine hervorbringt. Jedoch eben andersartige. Und daran scheiden sich die Geister.
Kulinarische Superkräfte
Klassisch restsüße Weine kann es im Naturweinbereich nicht geben – oder nur in sehr wenigen Ausnahmefällen. Zu groß ist die Gefahr, dass sich ohne entsprechend hohe Schwefelgabe irgendwelche Mikroorganismen noch mal auf den Zucker stürzen. Aber auch manch trockene Naturweine sind grundsätzlich nur unter Kühlung haltbar. Ein paar Naturweinwinzer*innen füllen in druckstabile Flaschen mit Kronkorken. Falls es doch zu einer zweiten Gärung kommt, hat man dann eben eine Art Schaumwein im Glas. Und Naturweine benötigen oft viel mehr Luft, um sich überhaupt zu entfalten oder kleinere Mängel wie einen leichten Böckser abzuschütteln.
Das sind eben gewisse Einschränkungen des Naturweins, denen aber völlig neue Möglichkeiten gegenüberstehen: In kulinarischer Hinsicht können sie unschlagbar sein, weil sie „von Natur aus“ eine robustere Struktur an den Tag legen. Dabei erweisen sie sich bei Tisch oft als unerwartet anschmiegsam und selten wirklich dominant. Ihre enorme Kompatibilität in diesem Bereich hat ihnen nicht zuletzt zum Siegeszug in der progressiveren Hochküche rund um den Globus verholfen. Und bei klassischen „Weinfeinden“ auf dem Teller wie Rollmops, Ölsardine, Chicorée oder auch Curry stehen sie oftmals wie eine Eins im Glas – während konventionelle Weine da geschmacklich gerne die Biege machen.
Unser Fazit zum Thema
Wir haben in den vergangenen Jahren Unmengen an Naturweinen verkostet – darunter auch einige, die für uns echte Schlüsselerlebnisse darstellen und uns immer wieder zutiefst faszinieren. Kleinere „Weinfehler“ nehmen wir bisweilen in Kauf, wenn der Wein sie durch andere Qualitäten aufwiegt.
Wir haben aber auch das starke Gefühl, dass sich vor allem in der jüngeren Szene immer mehr Kompetenz breitmacht. Das Klischee von den hippen Dilettanten, die in irgendeinem Schuppen mit ein paar alten Regentonnen, Eimern und Schläuchen ganz intuitiv den „hammergeilen Stoff“ zaubern, ist ohnehin schlichtweg Unsinn – auch wenn es in der Szene selbst gerne kultiviert wird.
Alle Naturweinwinzer*innen, von deren Arbeit wir überzeugt sind, haben wir als fachlich versierte und meist auch sehr erfahrene Handwerker*innen kennengelernt. Keinerlei Korrekturmöglichkeiten im Keller zu haben – außer den rein mechanischen – setzt bereits ein hundertprozentig gesundes Lesegut voraus, das es ohne entsprechendes weinbauliches Know-how nicht geben kann. Vom unabdingbaren Fachwissen im Keller ganz zu schweigen.
Manches an der Naturweinbewegung mag Ideologie sein – doch dem stehen die konventionellsten Gegenspieler mit ihrer Industrieverherrlichung um nichts nach. Im Begriff „Naturwein“ steckt auch eine Kampfansage. Und der können wir zumindest teilweise folgen: Seelenlose und nur mithilfe des gesamten Agrochemie- und Önologiearsenals lebensfähige Frankensteinweine, für die die Täuschung der Verbraucher*innen und die Zerstörung der Natur billigend in Kauf genommen werden, haben keine Daseinsberechtigung und sollten unserer Meinung nach aus der Weinkultur verschwinden. Um dahingehend einen Wandel in Gang zu setzen, braucht es eine lautstarke und vielleicht auch radikale Opposition in der Weinkultur. Und da hat die Naturweinbewegung bereits viel geleistet. Daneben hat sie die Weinwelt schon weit über sich selbst hinaus bereichert: Neue Weinarten wie Pét Nats oder Orange Wines wurden zunächst hier (re-)kultiviert und später von vielen eher konventionellen Winzer*innen stillschweigend adaptiert.
Man sollte aber anerkennen, dass auch außerhalb der Szene heute einige Winzer*innen mit ihrer Arbeit und ihrer Denkweise sehr nah am Naturweingedanken sind, jedoch beispielsweise an Jahrhunderte alten handwerklichen Techniken wie der Schwefelung festhalten. Daran ist aus unserer Sicht nicht das Geringste auszusetzen. Naturwein ist eben auch ein bestimmter Weinstil und dem muss man nicht zwingend folgen, um ehrliche und authentische Weine zu machen. Es ist nirgends in Stein gemeißelt, wie Wein zu schmecken hat. Die heute dominierende Meinung darüber ist ohne Zweifel auch stark von den önologischen Möglichkeiten geprägt, die sich erst in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet haben. Konservative Kreise bezeichnen diesen Status quo gerne als Tradition. Doch man muss nur ein paar weitere Jahrzehnte zurückdenken, dann entlarvt sich diese Auffassung von selbst als Geschichtsvergessenheit.
Naturwein ist bislang noch eine Randgruppenveranstaltung. Vor allem in Deutschland, wo mehr darüber berichtet und diskutiert als tatsächlich konsumiert wird. Aber vielleicht blickt man auch hier in einigen Jahrzehnten auf die „Epoche des Weinchemiebaukastens“ zurück und fragt sich, was damals um Himmelswillen wohl schief gelaufen sein mag. Bis dahin werden wir uns jedenfalls immer wieder an einem Glas „Naturwein“ erfreuen – und auch daran, dass das zunehmend mehr Genussmenschen ebenfalls tun. Free your mind – and your taste will follow …