Über 750 Bioweine aus 12 Ländern Europas
Bio kann sich schmecken lassen
Ein Wein soll von seiner Herkunft erzählen, das ist die Prämisse unter der das vinocentral seine Weine auswählt. Wir möchten die ganze Vielfalt des Weins abbilden und dabei viel „Terroir schmecken“. Bei den Verkostungen überzeugen uns immer öfter spontan vergorene Weine aus ökologischem Anbau oder von biodynamisch-arbeitenden Weingütern.
Bio auf dem Vormarsch
Betrachtet man die nackten Zahlen, liegt der Marktanteil von Bio-Wein gerade mal zwischen vier und fünf Prozent. Blickt man jedoch etwas tiefer, offenbart sich eine erfreuliche Entwicklung: Viele konventionelle Weingüter orientieren sich heute in Teilen an der ökologischen Landwirtschaft, ohne jedoch den finanziellen und auch bürokratischen Aufwand einer Biozertifizierung auf sich nehmen zu wollen – geschweige denn die Risiken. Das Bio-Siegel scheint sich als Marketinginstrument in der Weinbranche kaum bezahlt zu machen – die Bio-Methoden werden jedoch immer öfter als die besseren erkannt.
Naturwein, Orange Wines, Amphorenwein & Co
Zudem gibt es eine wachsende Zahl an Winzerinnen und Winzern, die noch sehr viel weiter geht, als die Bioverordnung der EU es vorschreibt. Sie wollen Weine schaffen, die einen möglichst unverfälschten und authentischen Charakter aufweisen. In diesem Zusammenhang ist dann oft von „Naturwein“ die Rede. Dazu arbeiten die Winzerinnen und Winzer im Weinberg mit biologischen oder sogar biodynamischen Methoden und verzichten weitgehend oder auch ganz auf die vermeintlichen Segnungen der industriellen Weinbau- und Kellertechnik. Stattdessen experimentieren sie gerne mit alternativen oder althergebrachten Methoden bei der Weinbereitung. So entstammen diesem Dunstkreis auch so genannte „Orange Wines“ also Weißweine, die wie Rotweine auf der Maische vergoren werden und dadurch einen ganz eigenen Charakter erhalten. Manchmal kommen auch Ton-Amphoren zum Einsatz, das vermutlich ursprünglichste Gefäß für den Weinausbau – sehr viel älter als das Holzfass, geschweige denn der Stahltank. Auch das Thema Schwefel, der dem Wein traditionell zur Stabilisierung zugesetzt wird, spielt hier eine große Rolle. Man versucht, ihn immer stärker zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Kein kleines Risiko.
Biologisch-dynamisch mit kosmischer Kraft
Auffallend ist aber vor allem die steigende Zahl der biodynamischen Weingüter. Dabei bringt die Biodynamie zunächst einen sehr viel höheren Arbeitsaufwand mit sich, weil zum Beispiel deutlich mehr Handarbeit anfällt. Das können im Einzelfall bis zu 100% mehr Arbeitsstunden sein als in einem konventionellen Betrieb. Und für manchen bedeutet die esoterische Geisteshaltung und Methodik hinter diesem Ansatz eine schwere Prüfung für das rationale Weltbild. Sie geht auf Rudolf Steiner zurück, den Begründer der Anthroposophie, der im Rahmen seiner philosophischen Lehre zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem die Waldorfpädagogik und eben auch die „Grundlagen einer biologisch-dynamischen Landwirtschaft“ entwickelte. Im Zentrum stehen dabei eine ausgeprägt ganzheitliche Sicht auf das Verhältnis von Mensch und Natur und die biodynamischen Präparate, mit denen der Kompost bereitet oder der Weinberg eher homöopathisch versorgt wird. Die berühmten Kuhhörner, die mit Kuhmist oder Quarzmehl gefüllt im Boden vergraben werden, um dort „kosmische Kräfte“ aufzunehmen, sind hinlänglich bekannt und werden gerne medial ausgeschlachtet.
Konventionelle Methoden in der Krise
Auch wenn die Biodynamiker von ihren Kritikern noch immer als „esoterische Spinner“ abgetan werden, sind ein paar Dinge nicht von der Hand zu weisen: Das anthroposophische Weltbild verändert zuallererst den Menschen und macht ihn sensibler und achtsamer für die Natur um ihn herum, weil er sich als Teil dieses ganzheitlichen Systems sehen lernt, in das er nur möglichst behutsam eingreift. Wohingegen die naturwissenschaftlich basierte Agrarindustrie mit ihrer isolierten Betrachtungsweise noch immer dazu neigt, schlagkräftige Patentlösungen zu entwickeln, die im Nebeneffekt mehr neue Probleme erzeugen, die man wiederum isoliert betrachtet zu lösen versucht. So hat sich in der Vergangenheit vermeintlicher Fortschritt in der Landwirtschaft oftmals als Teufelskreis erwiesen und den blinden Glauben an die konventionellen Methoden zu Recht erschüttert.
Überzeugendes Ergebnis in Glas und Mund
Viele Winzerinnen und Winzer, die sich dem biodynamischen Wirtschaften verschrieben haben, konnten zudem durch den Wandel eine ausgeprägte Qualitätssteigerung erreichen – auch wenn sie zuvor schon zu den Spitzenerzeugern zählten. Die Zeiten von dünnen, dilettantisch produzierten Ökoweinchen, die im Reformhausregal zu überhöhten Preisen vor sich hin dümpelten, sind jedenfalls vorbei. Gute, einfache und ehrliche Bioweine gibt es heute im vinocentral-Sortiment bereits ab 8 Euro. Vor allem die Biodynamie ist jedoch auch in der absoluten Spitze angekommen – und ihre Vertreter wagen in ihren Weinen oft ein Höchstmaß an Charakter und Ausdruck. Das trifft nicht immer den Geschmack der Massen, bereitet aber aufgeschlossenen und neugierigen Weinfreundinnen und -freunden einzigartige Weinerlebnisse.
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Reblese in doppeltem Sinne – Ein Besuch bei Sven Leiner in der Südpfalz
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Weinlese statt Kerb – Tee statt Kunstdünger – Enge Rebzeilen statt EU-Subventionen – Spätburgunder statt Dornfelder: Der Pfälzer Jungwinzer Vincent Eymann geht seinen eigenen Weg. Mehr lesen
Mission Biodynamie: Besuch auf der Wein-Fachmesse 501 BIO-DYN in München
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So viel Natur wie möglich in der Flasche – 2016 nicht ohne Verluste
Das Jahr 2016 stellte viele Winzer*innen vor große Herausforderungen. Erst die zahlreichen Niederschläge im Frühsommer, dann die große Hitze im August. Durch die feuchte Witterung breiteten sich Pilzinfektionen rasend schnell aus und befielen Stiele, Blätter, Blüten und Trauben. Vor allem Bio-Betriebe waren betroffen, denn ihnen ist die Verwendung synthetischer Pestizide verboten. Wir wollten wissen, wie es „unseren“ Winzer*innen ergangen ist, und fuhren zum Weingut Karl May in den rheinhessischen Wonnegau. Mehr lesen
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