Alle Jahre wieder
...... kommen nicht nur Weihnachtsmann, Osterhase und Steuererklärung, nein, auch der Spargel beehrt uns stets für ein paar Wochen und löst hierzulande jedes Mal eine kleine kollektive Hysterie aus. Immerhin rund 1,5 Kilogramm der weißen Stangen müssen pro statistischem Verbraucherkopf und Jahr über die Klinge springen. Sagenhafte 120.000 Tonnen wurden 2016 in Deutschland geerntet. Ein paar Tonnen Diskrepanz deckt Importware, die man gerne auch mal aus China oder Peru einfliegt. In ökologischer Hinsicht ein unglaublicher Blödsinn, den man keinesfalls unterstützen sollte.
Reizthema Bitterkeit
Ob die Operation tatsächlich geglückt ist, zeigt sich jedoch erst auf dem Teller: Reizthema Bitterkeit. Eine leichte Bitternote muss der Spargel aufweisen – das liegt in seiner Natur und macht den eigentlichen geschmacklichen Reiz aus. Hin und wieder ist es jedoch des Guten zu viel – dann ist er schnell ungenießbar. Um dieses leidige Thema ranken sich zahlreiche Mythen: Mal soll es am Folienanbau liegen, mal am Kunstdünger, mal an der Witterung, mal an der Zubereitungsweise. Fakt ist: Spargel ist grundsätzlich bitter, wenn er zu nah am Wurzelstock gestochen wird – das haben der Bauer und seine Erntehelfer in der Hand. Und gegen die Bitterstoffe ist – entgegen zahlreicher Zubereitungstipps – auch kein Kraut gewachsen. Bliebe also nur, grundsätzlich grünen Spargel zu kaufen, um der Misere garantiert aus dem Weg zu gehen.
Fünf Faustregeln für die Weinauswahl
Die mehr oder weniger ausgeprägten Bitterstoffe sind übrigens auch die große Herausforderung bei der Weinbegleitung, die sich ansonsten jedoch weit weniger kompliziert gestaltet, als das oftmals dargestellt wird. Hier ein paar Faustregeln: 1. Rotweine harmonieren ausschließlich mit grünem Spargel und sollten auch dann nicht zu schwer und tanninbetont sein. 2. Im Weißweinbereich geht dagegen eine ganze Menge. Vorsicht ist nur geboten, wenn auch hier Bitternoten – typisch beispielsweise für die Scheurebe – oder ausgeprägte Tannine eine Rolle spielen, wie bei einigen Natur- oder Orange-Weinen. Das kann in Maßen sehr, sehr reizvoll sein, aber auch schnell schiefgehen. 3. Kleine, dünne Weinchen machen – wie meistens – auch zum Spargel wenig Vergnügen. Hände weg also vom billigen „Spargelwein“ im Supermarkt oder Discounter. 4. Extreme Säure oder hoher Alkohol sind ebenfalls selten zielführend. 5. Alle übrigen pauschalen Weinempfehlungen sind Unsinn, denn es sind eben ein paar mehr Faktoren ausschlaggebend für die perfekte Harmonie zwischen Spargel und Wein. Zum einen die besagten Bitterstoffe, die sogar von Stange zu Stange variieren können, zum anderen die kulinarischen Begleiterscheinungen auf dem Teller: Ein Wiener Schnitzel oder eine wollüstig-buttrige Sauce hollandaise stellen noch mal ganz andere Anforderungen an den Wein, als ein gekochter Schinken oder ein Steak vom Grill.
Einsatzort Wochenmarkt
Seinen edlen Nimbus verdankt Asparagus officinalis vor allem dem Umstand, dass er bis heute im Anbau und vor allem bei der Ernte sehr viel Mühe bereitet, was sich natürlich im Preis niederschlägt. Wobei die Bandscheibenschäden der Erntehelfer finanziell wohl noch am wenigsten ins Gewicht fallen dürften, denn die werden in Polen oder Rumänien kuriert – wenn überhaupt. Ein untrügliches Zeichen seiner nahenden Ankunft sind Tausende von Kilometern Folie auf den Feldern, die den Austrieb des Edelgemüses beschleunigen sollen. Schwarze Folie kommt dabei übrigens vor allem zum Einsatz, um sicherzustellen, dass die Stangen auch schön weiß bleiben und sich nicht durch Sonnenlicht violett verfärben. Das mag der Verbraucher hierzulande nämlich partout nicht. Warum? Es muss an der ausgeprägten visuellen Sensibilität der Deutschen liegen, denn geschmacklich hat es keinerlei Auswirkungen. Auf den Wochenmärkten drängen sich jedenfalls derzeit wieder die spargelhungrigen Horden vor den Ständen der einschlägigen Produzenten. Familienmitglieder werden in Späher und Schlangensteher aufgeteilt und strategisch positioniert. Der optimale Zugriff in Sachen Preis-Leistung erfolgt dann mit der Präzision eines GSG-9-Einsatzes, per Mobilkommunikation gesteuert.