Domaine Villet, Jura
Foto©DomaineVillet
Historische Wurzeln des Jura Weinbaus
Die Weine des Jura zählen zu den historisch bedeutendsten der Welt und die Ahnengalerie der Jura-Fans reicht von Philipp dem Schönen im Mittelalter über Rabelais, Henri IV. und Rousseau bis zum Chansonnier Jacques Brel. Mit der Reblausplage im 19. Jahrhundert, die von stolzen 20.000 Hektar Rebfläche nur knapp 2.000 übrig ließ, setzte jedoch ein stetiger Bedeutungsverlust ein. Den technischen Fortschritt und weinstilistischen Moden, die vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit den Ton angaben, ließ das Jura weitgehend ungerührt an sich vorüberziehen. Man hielt eisern an der Tradition fest, die in der Weinbergsarbeit auf das hinauslief, was wir heute als ökologisch bezeichnen, und im Keller auf Lowtech. Das galt in den 1970er-Jahren als verbohrt. Und auch die urtümlichen Weinstile, die teils auf starke Oxidation oder auch Reifung unter dem Hefeflor wie beim Sherry setzen, wurden mehr und mehr als anachronistisch empfunden.
Keimzelle der Naturwein-Avantgarde
Heute, im 21. Jahrhundert, wo die Zeichen im Qualitätsweinbau zunehmend auf Rückbesinnung und Enttechnisierung stehen, wirkt der Starrsinn von einst dagegen visionär. Das Jura gilt als die Keimzelle der Naturwein-Avantgarde und bestes Beispiel dafür, dass der ökologische Weinbau – entgegen der Unkenrufe aus dem konventionellen Lager – sehr wohl auch in Cool-Climate-Regionen funktioniert. Bereits die Hälfte der Weingüter im Jura ist heute biologisch zertifiziert.
Mustergültige Vertreter des ureigenen Jura-Stils
Vor diesen Hintergründen lässt sich die Stilistik der Weine besser einordnen, aber auch der enorme Hype verstehen, der um das Jura mittlerweile ausgebrochen ist. Die Weine der Domaine Villet sind absolut mustergültige Vertreter des ureigenen Jura-Stils – für unbedarfte Gaumen zunächst gewöhnungsbedürftig, dann aber eine echte Offenbarung. Sie sind vollkommen unmanipuliert – auch Schwefel kommt hier nur in homöopathischen Dosen zum Einsatz. Es sind lebendige, ungestüme und ausdrucksvolle, aber auch harmonisch in sich ruhende Charakterköpfe. Sie sind wie eine Zeitreise – so wurde Wein bereits vor Jahrhunderten gemacht – und zugleich ultramodern, jedoch bodenständig und – wie die das Ehepaar Villet selbst – vom tätowierpflichtigen Naturwein-Hipstertum genauso weit entfernt wie Arbois von Berlin.
Aus Versehen modern
Die im Jahr 1900 gegründete Domaine Villet liegt in Arbois, jener malerischen 3000-Seelen-Gemeinde, die nicht nur Hauptstadt des gleichnamigen Jura-Kantons ist, sondern des Jura-Weins als solchem und übrigens die älteste geschützte Herkunftsbezeichnung des Weinbaus überhaupt. Auf all das und die uralte, lebendig erhaltene Weinkultur ihrer Heimat sind Christine und Gérard Villet so stolz, dass sie zum plakativen Schriftzug der Appellation noch die drei Landmarks des Städtchens (Kirche, Turm, Brücke) aufs Etikett zeichnen ließen, als sie die Domaine Villet in den 1980er-Jahren übernahmen. Bereits 1988 erfolgte die ökologische Zertifizierung – auch im bioaffinen Jura-Weinbau damals noch eine Pionierleistung. Die Villets verfügen über knapp 5,5 Hektar Rebfläche mit 50 % Chardonnay, 20 % Savagnin – den Rest teilen sich die roten Rebsorten Poulsard, Pinot Noir und Trousseau. Die beschauliche Betriebsgröße ist gewollt, denn das Winzerpaar ist überzeugt, nur so die gewünschte handwerkliche Sorgfalt walten lassen zu können. Domaine Villet ist ein durch und durch authentischer Traditionsbetrieb, der eher versehentlich von der Mode eingeholt wurde.