Château Cambon, Burgund
Foto©ChâteauCambon
Das „neue“ Beaujolais
Spätestens mit dem Ende der 1990er-Jahre interessierte sich fast niemand mehr für den „Primeur“. Geblieben ist hierzulande nur das miese Image der Region: Massenwein, den keiner braucht. Dabei gab es schon während dieser Zeit die andere Seite des Beaujolais mit hochwertigen Cru-Appellationen und Winzerlegenden wie Marcel Lapierre. Durch die Rückbesinnung auf die vorindustrielle Praxis im Weinbau und als Vorreiter des Naturweins schuf er vielbeachtete große Weine und zeichnete mit seiner Domaine Lapierre – zumindest unter Kennern – ein gegensätzliches Bild seiner Region. Mitte der 1990er-Jahre kaufte er gemeinsam mit einem anderen Grandseigneur der Bewegung, Jean-Claude Chanudet, die heruntergewirtschaftete Domaine Cambon und machten auch dieses Zweitweingut schnell zu einer Referenz für das „neue“ Beaujolais.
Trinkvergnügen mit Substanz
Marcel Lapierre ist 2010 verstorben – heute führen seine Frau und Monsieur Chanudet das Château Cambon. Nach wie vor werden die rund 13 Hektar Gamay-Stöcke biologisch bewirtschaftet. Sorgfältige selektive Handlese zum optimalen Reifezeitpunkt, Spontangärung, minimale Eingriffe im Keller ohne jegliche önologische Manipulation und nur geringe Schwefelung vor der Füllung – all das spricht für „Naturwein“ par excellence. Allein, man würde angesichts der enormen Saftigkeit und der klaren Frucht gar nicht darauf kommen. Die trinkfreudigen Weine mit ihrer subtilen Kraft und Finesse werden heute sogar von der New York Times in den Himmel gelobt. In Deutschland hingegen herrscht in Sachen Beaujolais leider noch immer Nouveau-Kater-Stimmung. Das wollen wir ändern.
Nouveau – no more
Viele Jahre war das Beaujolais ein ungeliebtes Anhängsel des noblen Burgunds. Hier wurden seit jeher vor allem einfache Trinkweine statt edler Kreszenzen produziert. Mit dem Beaujolais Nouveau (oder auch Primeur) – einer pfiffigen Vermarktungsidee der Beaujolais-Winzer, um bereits früh nach der Ernte an Bares zu kommen – setzte man dazu im Billigweinsegment weltweit ein (zweifelhaftes) Zeichen. Sagenhafte 180.000 Hektoliter strömten zu den Spitzenzeiten alljährlich ab dem offiziellen Verkaufsstart Ende November in den Markt. Alleine in Deutschland wohlgemerkt. Die Ankunft des kleinen Franzosen wurde zelebriert wie ein Staatsakt: Am Frankfurter Flughafen rollte man mit dem Schlachtruf „Le Beaujolais Nouveau est arrivé!“ den roten Teppich aus, um das erste Kistchen medienwirksam übers Flugfeld zu tragen (Die übrigen paar Millionen Kistchen reisten natürlich in schnöden Lkw an.). Darüber berichtete selbst die Tagesschau. In den folgenden Tagen wurde der Stoff dann in rauschenden Festen vernichtet und war bis zum Jahresende auch schon wieder ausverkauft. Gut so. Denn genauso schnell, wie der Wein wenige Wochen nach der Ernte önologisch aus dem Kellerboden gestampft worden war, ging ihm auch in der Flasche die Puste aus. Und letzteres Schicksal ereilte schließlich auch den Beaujolais-Primeur-Hype als Ganzes.