Der Reis kam vermutlich mit den Mauren im 8. Jahrhundert ins Land und bis heute sind die Portugies*innen die eifrigsten Reisesser Europas. Dementsprechend verhält es sich mit der Zahl der Arroz-Gerichte wohl ähnlich wie mit den sprichwörtlichen 365 Rezepten für Stockfisch, der zweiten tragenden Säule der Küche Portugals. Unser Arroz lässt sich – passend zu den Weinen im Livestream – in mindestens drei schmackhaften Varianten zubereiten: mit Oktopus, Ente oder auch rein pflanzlich. Traditionell isst man in Portugal gerne recht deftig. Wir haben uns erlaubt, hier etwas zu verfeinern und zum Beispiel die omnipräsente Chouriço – eine aromatisch etwas vorlaute geräucherte Schweinswurst mit viel Paprika – durch Pimentón de la vera zu ersetzen. Dieses geräucherte Paprikapulver kommt zwar aus Spanien, ist für unsere Zwecke hier aber ideal und sollte auch keinen diplomatischen Eklat auslösen.
Unser Arroz hat zwei wesentliche Fundamente. Das erste ist natürlich der Reis. Authentizitätsfundamentalist*innen werden auf einen portugiesischen Carolino-Reis pochen. So man hat. Wir haben in Ermangelung mit einem Risotto-Reis sehr gute Erfahrungen gemacht, nämlich der Sorte „Rosa Marchetti“ von Praino aus dem Piemont (im vinocentral-Ladengeschäft erhältlich). Es eignen sich sicherlich auch andere Reissorten, vorausgesetzt, dass sie die Eigenschaft besitzen, viel Kochflüssigkeit aufnehmen zu können, ohne ihren Biss zu verlieren. Apropos „Kochflüssigkeit“: Damit wären wir auch schon beim zweiten wesentlichen Fundament: der Brühe. Es lohnt sich geschmacklich in jedem Fall, diese selbst anzusetzen.
Bei der Oktopus-Variante, auf die wir hier vorrangig eingehen, starten wir mit einem ganzen frischen Tier. Los geht’s:
- 1 Pulpo aka Oktopus, küchenfertig
- (Für 4 Personen sollte dieser mindestens 1 kg wiegen – eher mehr – da ein hoher Gewichtsverlust beim Garen leider nicht zu vermeiden ist.)
- 3 Lorbeerblätter
- 6 Gewürznelken
- 1 gehäufter TL Fenchelsaat, leicht angestoßen
- 10 Pfefferkörner, leicht angestoßen
- 4 Knoblauchzehen, mit Schale angequetscht
- 4 Selleriestangen, fein gewürfelt
- 1 mittelgroße Karotte, fein gewürfelt
- 1 Stück Lauch (gerne der grüne Teil), in Ringe geschnitten
- 1 mittelgroße Zwiebel, geviertelt
Um die Garung von Oktopus ranken sich einige irre Mythen. Der berühmte Weinkorken im Kochwasser zum Beispiel ist mit ziemlicher Sicherheit reiner Hokuspokus. Das Tier vor dem Kochen hundertfünfzig Mal gegen die Hauswand oder einen Felsen zu schlagen, ist hingegen prinzipiell nicht falsch, geht aber auch weniger martialisch, indem man den Pulpo in ein Küchentuch einwickelt und dann mit einem Fleischklopfer bearbeitet – beherzt, aber auch nicht wie ein Schmied. Das Tier vor der Zubereitung einmal einzufrieren und wieder aufzutauen hat übrigens den gleichen Effekt. Auch das Einfrieren des gegarten Pulpos macht ihn zarter. Aber eigentlich kommt man nach unserer Erfahrung auch ohne all das zu guten Ergebnissen, wenn man die wichtigste Regel beachtet und den Pulpo möglichst sachte, nur knapp am Siedepunkt ziehen lässt und nicht sprudelnd kocht.
Wir geben also den Pulpo mit den Gewürzen in einen nicht zu geräumigen Topf und füllen mit so viel Wasser auf, dass er gerade bedeckt ist. Das Ganze ein Mal kurz aufkochen, das vorbereitete Gemüse dazugeben und dann auf kleinster Hitze ziehen lassen, bis er gar ist. Das lässt sich am besten mit einer Rouladennadel an der dicksten Stelle der Tentakel prüfen. Der einzige Nachteil dieser Garmethode ist, dass der Oktopus relativ viel Gewicht verliert. Das ist aber zu verschmerzen, weil er uns dafür eine hervorragende Brühe liefert, von der wir hier nur einen gewissen Teil benötigen. Der Rest lässt sich wunderbar einfrieren und für andere Gerichte wie zum Beispiel eine Bouillabaisse nutzen. Übrigens ist auch der Kopf natürlich essbar. Wir schneiden ihn in diesem Fall in kleine Stücke, die wir unter den Arroz mischen.
Für die Variante mit Ente geht man übrigens ganz ähnlich vor: Brüste und Keulen auslösen. Die Brüste anderweitig verwenden. Die Karkasse leicht im Backofen bräunen und dann mit den Keulen kalt ansetzen, aufkochen, die Gewürze zugeben und das Ganze knapp am Siedepunkt ziehen lassen. Sobald das Fleisch der Keulen so weich ist, dass es sich leicht vom Knochen löst, diese herausnehmen, ausbeinen und das Fleisch beiseitestellen. Die Karkasse und die Keulenknochen sollten dann noch für weitere zwei bis drei Stunden ziehen – in den letzten 45 Minuten kommt das Gemüse dazu. Das Keulenfleisch wird später in kleine Stücke geschnitten und unter den Arroz gemischt.
Für einen veganen Arroz einfach nur eine kräftige Gemüsebrühe kochen. Dazu etwas mehr von dem oben aufgeführten Gemüse und Gewürzen nehmen, noch zehn bis 15 klein gehackte Champignons dazugeben und für rund 45 Minuten köcheln lassen.
Und weiter gehts mit unserem Arroz de polvo! Die folgenden Mengenangaben beziehen sich auf zwei Portionen für ein Hauptgericht oder vier Portionen für ein Zwischengericht. Hier die Zutaten in der Reihenfolge ihres Einsatzes:
- -2 EL Olivenöl zum Braten
- 1 mittelgroße Zwiebel, fein gewürfelt
- 2-3 Knoblauchzehen, fein gehackt
- 3-4 Stängel von glatter Petersilie, fein gehackt (die Blätter beiseitelegen)
- 1 TL Paprikapaste (Alternative siehe unten)
- 1 kleine Fleischtomate, enthäutet und grob gewürfelt (evtl. Konserve)
- 180 g saugfähiger Reis (z. B. Rosa Marchetti) Den Reis so lange wässern und immer wieder abgießen, bis das Wasser annähernd klar bleibt.
- 200 ml trockener Weißwein
- 500+ ml Pulpobrühe (Vorsichtshalber etwas mehr Brühe bereitstellen und zum Einsatz erhitzen.)
- Kreuzkümmel, gemahlen
- Pimentón de la vera dulce
- Pfeffer
- Salz
- Abrieb oder Zesten einer halben Zitrone (Saft auspressen)
- 1 Frühlingszwiebel, in Ringe geschnitten
- Pulpokopf, fein gewürfelt
- 1 rote Paprikaschote, gegrillt, enthäutet und in kleine Stücke geschnitten (Die Paprikaschote als Ganzes in etwas Öl wenden und auf einem Blech unter der Grillschlange des Backofens grillen, bis sie schwarze Blasen wirft. Zwischendurch mal wenden. Anschließend in einem Plastikbeutel abkühlen lassen. So löst sich die Haut fast von alleine ab. Wer keine Paprikapaste zur Hand hat, kann auch einfach eine zweite Schote so vorbereiten und fein gehackt als Ersatz nehmen.)
- Zitronensaft
- vorgegarte Pulpoarme (Anzahl je nach Größe und Belieben); diese trocken reiben und rundum mit Olivenöl einreiben. Erst unmittelbar vor dem Anbraten salzen.
Am besten bereitet man alle Zutaten vor – dann ist das Gericht völlig stressfrei umzusetzen.
- Die Zwiebelwürfel bei relativ niedriger Hitze langsam glasig dünsten und leicht salzen, dann Knoblauch und Petersilien-Stängel zugeben und weiter dünsten.
- Paprikapaste und Tomate zugeben; Hitze etwas erhöhen und alles unter Rühren anschmoren.
- Reis zugeben und einmal durchrühren; dann den Weißwein angießen und etwas einkochen lassen.
- Mit einem Teil der Pulpo-Brühe auffüllen, sodass der Reis Platz zum Schwimmen hat.
- ca. je 1/2 TL Kreuzkümmel und Pimentón zugeben und schon mal leicht pfeffern und salzen.
- Während der Reis gart, immer wieder etwas Pulpo-Brühe angießen und leicht durchrühren, damit nichts ansetzt. (Allerdings sollte man auch nicht zu viel rühren, sonst verwandelt sich der körnige Arroz in ein cremiges Risotto. Das ist hier nicht das Ziel.)
- Wenn sich der Reis so langsam dem Garpunkt nähert, den Zitronenabrieb, die Frühlingszwiebel und den klein geschnittenen Pulpokopf unterheben. (Bei der Entenvariante das klein geschnittene Keulenfleisch unterheben und mit 10. fortfahren.)
- Parallel dazu ein Pfanne für den Pulpo erhitzen.
- Die Pulpoarme in die Pfanne geben und von beiden Seiten knusprig braten.
- Schließlich die Paprikastücke unterheben, die Hitze auf ein Minimum reduzieren und den Arroz abschmecken: Kreuzkümmel und das rauchige Aroma des Pimentón sollten deutlich schmeckbar sein, aber eher im Hintergrund agieren. Nach Geschmack noch etwas vom Zitronensaft zugeben, um die fruchtige Frische der Paprika zu unterstreichen. (Den restlichen Zitronensaft einfach über die knusprigen Pulpoarme träufeln.) Der Arroz sollte am Ende noch leicht körnig und die Flüssigkeit weitgehend aufgesogen sein.
- Die Petersilienblätter grob hacken, den Arroz auf die Teller verteilen, die knusprigen Pulpoarme im Ganzen oder in Scheiben geschnitten auf dem Reis anrichten und das Ganze nach Belieben mit Petersilie bestreuen.
Für die vegane Variante sollte man eventuell über ein Topping nachdenken: Kapern und/oder eingelegter Meerfenchel, aber auch frische Salicornes oder fein gehobelter und mit Salz, Zitronensaft und einer Prise Zucker roh marinierter Fenchel wären eine schöne Bereicherung.
Fertig ist das Arroz-Gericht. Eine gut trainierte Küchenassistenz sollte in der Zwischenzeit schon mal den Tisch gedeckt und den oder die Weine entkorkt haben. Mehr zur passenden Weinbegleitung erzählen Geunhye Yook und Alexander Marschall hier im Livestream.
Das dazugehörige Weinpaket "Vom Douro bis zu den Azoren" gibt es hier. Die drei Weine können auch einzeln bei uns erworben werden (siehe unten):
Foto: Michael Neser | vinocentral
Zeichnungen: Mari Böckenhauer | vinocentral