Die Terminfindung für einen Besuch bei Vincent Eymann war nicht einfach. Aufgrund des warmen Frühjahrs und des trockenen Sommers sind an der Pfälzer Mittelhaardt in diesem Jahr bereits Ende August die Trauben reif, sodass die Lese zwei Wochen früher als gewöhnlich beginnt. Bei unserer Ankunft auf dem Familienweingut herrscht dort dann auch geschäftiges Treiben: Der Keller wird aufwendig gereinigt, die Weinstube für den Abendbetrieb vorbereitet. Oma, Opa, Vater, alle helfen mit. Dennoch nimmt sich Jungwinzer Vincent die Zeit, uns seine Einzellagen Sonnenberg und Mandelgarten zu zeigen.
„Ab Übermorgen ist Kerb, dann ist hier kein Durchkommen mehr“, erzählt er im Auto. Doch Kerb hin oder her, der optimale Reifegrad bestimmt den Lesetermin, nicht der Festkalender. „Am Montag fangen wir an, auch wenn die anderen nicht begeistert sind, dass wir hier mit den voll beladenen Wagen durchfahren.“ Vincent Eymann ist einer der wenigen in Gönnheim, der seinen Wein selbst keltert. Die meisten anderen im Dorf verkaufen ihre Trauben an größere Produzenten, da kommt es ihnen auf einen Tag mehr oder weniger nicht an.
Überhaupt sind die Eymanns hier eine Ausnahmeerscheinung: Bereits 1983 sorgte Senior Rainer bei seinen Kollegen für Kopfschütteln, als er den Hof auf ökologischen Weinbau umstellte. Doch er ließ sich nicht beirren und verschrieb sich 2004 zusätzlich der Biodynamie. Sohn Vincent geht diesen Weg konsequent weiter.
Links und Mitte: Wenig Berg, aber viel Wärme und gute Thermik: Der Sonnenberg auf den Hochterrassen des Rheins.
Rechts: Viel Farbe – gute phenolische Reife: Der Farbton der Kerne ist Indiz für den Reifeprozess.
Bei unserem Spaziergang durch die Rebanlagen wird eindrücklich sichtbar, wo die Unterschiede zwischen ökologischem und konventionellem Weinbau liegen. Denn auch nach 35 Jahren ist das Weingut Eymann immer noch eines der wenigen Bio-Weinbaubetriebe der Gegend. Während an den gegenüberliegenden, konventionell bewirtschafteten Rebstöcken dicht an dicht große, prall gefüllte Trauben hängen, die von üppigem Laub umrankt werden, sind die Eymannschen Spätburgunder-Reben kleinbeerig und sitzen großzügig über die Rebreihen verteilt. Ein Laie könnte meinen, die üppige Traubenpracht müsse das Ziel sein, doch das Gegenteil ist der Fall: Je kleiner die Trauben, desto extraktreicher. Je lockerbeeriger, desto gesünder. Deshalb setzt Vincent Eymann auf enge Rebzeilen, den Einsatz von Kompost und Tees sowie auf beidseitige Begrünung ohne offene Böden. Und der Erfolg gibt ihm recht, seine demeter-Weine werden regelmäßig ausgezeichnet, zuletzt erreichte sein Blanc de Blanc Réserve Brut Nature bei Meiningers Deutschem Sektpreis 2017 Platz eins in der Kategorie Burgunder Sekt.
Links und Mitte: Masse ist nicht gleich Klasse: Links die prallen Reben eines konventionell arbeitenden Winzers, rechts die kleinbeerigen Trauben von Biodynamiker Vincent Eymann. Rechts: Mit Vincent auf biodynamischem Weinlehrpfad
Die Rebfläche in der Gegend ist begehrt, denn die großen Betriebe an der Mittelhaardt übernehmen immer mehr Grundstücke und schließen Pachtbewirtschaftungsverträge mit Traubenproduzenten. Die Hochebene rund um Gönnheim und Friedelsheim mit ihren kalkreichen Böden ist für viele Winzer eine attraktive Alternative. Deshalb ist es für die Eymanns so gut wie unmöglich, die eigenen 15 Hektar zu erweitern. Trotzdem lässt Vincent die vom Vater gepflanzte Gehölzhecke stehen, auch wenn an ihrer Stelle mindestens zwei weitere Rebreihen gepflanzt werden könnten. Die Hecke bietet Lebensraum für Fasane, Rebhühner und Kaninchen, das ist ihm wichtig. In diesem Jahr hat er zusätzlich ein Bienenhotel errichtet und 60 Nistkästen in seinen Weingärten aufgehängt.
Da ist Leben im Weinberg: In der Gehölzhecke sind Fasane, Rebhühner und Kaninchen zuhause, das Bienenhotel beherbergt die ersten Gäste.
Auf Biodynamie, Biodiversität und Traubenqualität zu setzen, fordert aber auch an anderer Stelle seinen Tribut: Um die Stöcke zu animieren, tiefer zu wurzeln, lässt Vincent bei jeder Neupflanzung weniger als zwei Meter Platz zwischen seinen Rebzeilen. Dadurch entfallen für ihn EU-Fördermittel, da diese an die Bedingung geknüpft sind, die Befahrbarkeit für große Maschinen zu gewährleisten.
„Dieses Jahr ist ein schönes Jahr“, schwärmt Vincent als wir weiter zu seiner Lage Mandelgarten fahren, „denn es ist mein letztes Jahr mit Dornfelder! Ich werde nächstes Jahr meinen gesamten Dornfelder-Bestand auf Spätburgunder umveredeln. Das Verfahren nennt man auch Standortveredlung. Dafür verwende ich keine gekauften Spätburgunder-Klone, sondern wähle aus meinen eigenen Rebstöcke geeignete aus, von denen ich dann Ruten abschneiden, die hier aufpfropfen werden.“ Das erscheint uns plausibel, denn wer mit solcher Konsequenz den eigenen Weg geht, der setzt auch bei der Veredelung auf die eigene Genetik.
Die Tücke liegt im Detail: Seit der Reblausplage in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. werden deutsche Edelreben auf robuste amerikanische Rebstöcke aufgepfropft (Von rechts nach links Bild 1 + 2). Einem alten Glauben zufolge, dienen Rosenstöcke als Indikator für die Rebkrankheit „Falscher Mehltau“(3) und das künstlich produzierte Pheromon führt den Traubenwickler in die Irre. (4)
Wieder einmal haben wir viel dazu gelernt. Als wir nach unserer Tour über Vincents persönlichen „biodynamischen Weinlehrpfad“ in die Winzerstube einkehren, folgt die sensorische Begründung für all diesen Aufwand: Die Eymannschen Weine verfügen allesamt über eine ganz eigene Würze, die uns begeistert. Ja, in unserer Euphorie würden wir sogar soweit gehen, zu behaupten, dass wir sie bei einer Blindverkostung herausschmecken würden. Vincent dazu befragt, sagt er: „Über 30 Jahre biologische Bewirtschaftung und keine Stickstoffdüngung oder Herbizide, 13 Jahre biodynamisch und unsere im Keller gewachsene Hefeflora, das ist den Weinen anzumerken. Die Rebe ist eine hochsensible Pflanze und sie gibt einem etwas Besonders zurück, wenn man sie mit Liebe und Respekt behandelt, so wie das bei Menschen eben auch ist.“ Wir glauben ihm das sofort.
Links und Mitte: Edle Pfropfen, edle Tropfen, edles Fass. Die großen Holzfässer stammen aus der renommierten Fassbinderei Franz Stockinger. Rechts: Unverkennbar – Ein (Vincent) Eymann im Glas!
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Fotos: Janne Böckenhauer