Eine historische Rebsorte anzubauen ist risikoreich. Es gibt kaum Erfahrungswerte, wie sie auf Boden, Klima und Ausbau regiert. „Warum also ausgerechnet Grünfränkisch?“, fragen wir Stefan Sander, als wir mit ihm hoch über Mettenheim stehen und auf seine Jungpflanzen schauen. „Grünfränkisch war ursprünglich hier beheimatet, die Rebsorte passt also zu den Böden im Wonnegau“, erklärt er. „Der Anbau bindet Geld und Zeit, da versucht man schon etwas zu finden, was funktionieren könnte.“
Die weiße Rebsorte wurde bereits im 16. Jahrhundert in der Südpfalz erwähnt. Aus historischen Quellen geht hervor, dass ursprünglich sie die Trauben für die weltberühmte Liebfrauenmilch lieferte – und nicht, wie später üblich, der Riesling.
Bis 2008 galt Grünfränkisch als ausgestorben. Doch dann fand der Biologe Andreas Jung die Rebe in einem Pfälzer Weinberg, wo sie seit 25 Jahren irrtümlich für Weißburgunder gehalten wurde. In der Tat ähnelt der Grünfränkisch dem Weißburgunder, allerdings verfügt er über wesentlich opulentere Fruchtnoten.
Trotz der Verbundenheit von Rebsorte und Region, muss Sander experimentieren. Dafür hat er den Grünfränkisch an zwei verschiedenen Stellen angepflanzt: Acht Rebzeilen stehen am warmen, windgeschützten Schlossberg, einige andere am gut durchlüfteten Michelsberg.
Bildunterschrift: Stefan Sanders 2016 gepflanzten Grünfränkisch-Stöcke am Schlossberg. Flurbereinigung gab es hier nicht, deshalb sind die Rebflächen kleinteilig und die Wege verwinkelt.
Auch beim Ausbau im Keller testet er verschiedene Methode: Ein Teil wird im modernen Edelstahltank vergoren, die andere Hälfte reift in 500-Liter-Fässern aus Steinzeug, einer Keramik, die nach dem Brennen auch ohne Glasur wasserundurchlässig ist. Sie wurde schon im 14. Jahrhundert zur Lagerung von Lebensmitteln und Getränken verwendet. „Zu einer historischen Rebsorte passt vielleicht auch ein historisches Material wie Steinzeug besonders gut“, erklärt der Bio-Winzer. „Es ist ein langsames Herantasten. Aber am Ende soll ja auch nicht das Gleiche rauskommen, was man sowieso schon hat!“
2018 ist der erste Grünfränkisch-Jahrgang, den Sander vinifiziert. Noch sind die 1.200 Liter nicht abgefüllt. Im Keller stehen wir vor den zwei großen Steinzeugfässern, die Sander aus Bordeaux importiert hat. Gemeinsam nehmen wir eine Fassprobe. Wir sind gespannt: Unser erster Grünfränkisch! (Anmerkung: Mittlerweile ist der Grünfänkisch 2018 abgefüllt und im vinocentral erhältlich!)
Der Wein ist noch ein bisschen unruhig, die gelben Fruchtaromen nur zu erahnen. Aber Textur und Mineralität sind deutlich ausgeprägt. Stefan Sander zeigt sich zufrieden mit dem momentanen Zustand. Wir sind es auch. Irgendwann wird noch etwas Schwefel zugesetzt, um die Fruchtigkeit zu bewahren. „Es soll ja kein Orange Wine werden“, erklärt er.
Wer diese seltene Reben-Rarität ebenfalls kosten möchte, hat beim vinocentral-Weinabend „Seltene Rebe“ am Samstag, dem 30. März 2019, Gelegenheit dazu. Stefan Sander hat uns vorab einige wenige Flaschen seines ersten Grünfränkisch zur Verfügung gestellt. Denn eins ist klar, um die Rebsorte langfristig zu retten, muss sie bekannt werden.
Herzlichen Dank an das Weingut Sander und die Rettungsmannschaft des Projekts „Historische Rebsorten“!